Ach, so Kuschelseminare

Gelegentlich werde ich im Zusammenhang mit Feuerlauftrainings mit dem Begriff „Kuschelseminar“ oder „Wellness-Seminar“ konfrontiert, das an der Wirklichkeit vorbei geht. Sind wir realitäsferne Sozialromantiker? Im Gegenteil! Wer genau hin schaut stellt fest, dass sich komplette Konjunkturpakete zusammenkuscheln ließen! Ein ungehobelter Kommentar:

„Ach, so Kuschelseminare sind das also…“ war das Feedback eines Personalleiters auf die Darstellung meiner Trainings hin.

Die Frage ist, was ist die Alternative? Was denn, wenn nicht Kuschelseminare? Wir-sind-furchtbar-motiviert-und-stellen-keine-Fragen-Trainings? Auf-die-Fresse-hau-Seminare? So-mache-ich-meine-Kollegen-nieder-Seminare? Also was?

Was denn, wenn nicht Sozialromantik?
Harte Realität: das Leben ist kein Zuckerschlecken, survival of the fittest, Macht des Stärkeren, Faustrecht. Man braucht ja nur hin schauen – Kinder kommen schon so auf die Welt – so ist die Welt. Was kommt als nächstes? Primae noctis – das Recht auf die erste Nacht mit der Braut? Und der Arbeitgeber vetreten durch den Personalchef – ich sehe es schon vor mir.

Nicht ganz so abstrus, aber ein bischen schon, gel? Über 70% der deutschen Arbeitnehmer macht Dienst nach Vorschrift. Warum wohl?! Nein, nicht wegen primae noctis…

Ich habe Jahre gebraucht, um so zu werden
„Um Abteilungsleiterin zu werden, musste ich mich gegen zwei Dutzend Männer durchsetzen, die sich benehmen wie die Schweine und keine Gelegenheit augelassen haben, mich zu treffen. Ich musste hart werden und hart arbeiten. Als ich es geschafft hatte, musste ich mich behaupten und mich gegen meine ehemaligen Kollegen als Führungskraft durchsetzen. Die haben nur darauf gewartet, mir das Leben schwer zu machen! Und jetzt soll ich wieder… was?? Ich habe Jahre gebraucht, um so zu werden!“ Der Mitarbeiterin eines Versicherungskonzerns stockt der Atem.

Nein, das geht nicht zusammen – Kuschelseminare und Machotum. „Das ist unser Spiel seit Jahren – und wir werden es weiter spielen!“ antwortete mir einst ein Beamter im gehobenen Dienst. Dabei ging es konkret um eskalierte Konflikte in seinem Wirkungs- und Verantwortungsbereich.

Gleichgültigkeit tötet. Andere.
Dieser Graffiti-Spruch aus den 80ern bringt es auf den Punkt. Es gibt keine Alternative dazu, Konflikte zu bearbeiten und jeder Form von Gewalt eine Abfuhr zu erteilen. Warum?

Weil wir in zunehmendem Maße selbstbestimmt leben und im selben Maße das Konfliktpotenzial wächst. Weil unsere Welt enger und voller wird, und es daher immer schneller dazu kommen wird, das uns einer den Blues gibt. Weil die Ressourcen begrenzt sind – auch die des Humakapitals. Weil die Verluste untragbar hoch sind, und es eine simple Alternative gibt: lernen, konstruktiv zu streiten.

Anstatt die Mobber zu befördern und als Vorzeige-Alphatiere zu bewundern, sollten wir die kompetenten und loyalen Mitarbeiter behalten. Das dies nicht nur sozialromantisch, sondern auch gewinnsteigernd ist, haben verschiedenen Studien belegt, und vor allem Unternehmen in der Praxis bewiesen.

Locker ein Konjunkturpaket zusammengekuschelt
Wer behauptet, dies sei eine offenbare Realität, die Arbeitswelt ist eine gewalttätige Welt, in der Macht, Wilkür und Unrecht das Sagen haben, erhebt sozialen Entwicklungsrückstand zum Naturprinzip. Unser Unwille, den konstruktiven Umgang mit Konflikten zu lernen, lassen wir uns jährlich über 150 Milliarden Euro kosten – nur in Deutschland (Quelle: Institut der dt. Wirtschaft, AOK, BZgA). Da bekämen wir locker ein Konjunkturpaket zusammengekuschelt! Dabei ginge es nicht darum, wie die Hippies auf der grünen Wiese in den Armen zu liegen, sonder entstehende Konflikte ernst zu nehmen (statt davon zu laufen), anzupacken (statt liegen zu lassen) und kooperativer als bisher zu bearbeiten (zuzuhören statt besser wissen) – noch nicht mal Konflikte abschließend zu lösen!!

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