Feuerlauf und Initiation

Der Feuerlauf ist im besten Wortsinn ein Übergangsritual. Er führt von einer Seite auf eine andere. Nicht nur die andere Seite der Glut, sondern von einem Zustand in einen anderen. Dabei wird genau im Moment des Loslassens des alten Zustandes (und dem damit verbundenen Gefühl des Kontrollverlustes) die Krafterfahrung des Feuerlaufes geankert. Mit bewussten Schritten wird Altes zurück gelassen und das „neue Land“ betreten.

Bedingt durch die geforderte Selbstüberwindung wird ein Zustand erreicht, den man in der Fachsprache Konzeptirritation nennt. Im Sinne eines Initiationsrituales spricht man auch vom Schwellenraum: das Alte ist nicht mehr, das Neue noch nicht wahr bzw. real. Nach und nach führt die gemachte Erfahrung des Feuerlaufes zu einer tieferen Umstrukturierung im Selbstbild und den Werten des Feuerläufers (Integration). Es findet eine dauerhafte, nicht umkehrbare Veränderung statt. Der Novize denkt sich nicht in ein neues Leben als Erwachsener und handelt dann, sondern sein Handeln (Gang über die Glut) zieht neues Denken als Erwachsener nach sich, was erst Ausgangspunkt für reiferes Handeln sein kann.

Damit dies gelingt, ist eine entsprechende Vor- und Nachbereitung des Erlebnisses notwendig, sowie geeignete Rahmenbedingungen für den Feuerlauf selbst (Set und Setting). Ansonsten bleibt alles auf einer rein symbolischen Ebene stehen, der Feuerlauf wird zur Machbarkeitsprobe ohne weitere Konsequenzen. Oder noch schlechter, zu einem belastenden Erlebnis, welches das Festhalten am Zustand des Kindseins noch verstärkt und ein völlig ungeeignetes Bild von Erwachsen sein vermittelt. Denn Erwachsen ist man nicht nur deshalb, weil man sich über glühende Kohlen traut.

Regelmäßig, in den letzten Jahren zunehmend mehr, kommen Eltern, insbesondere Väter, mit ihren Söhnen auf meine Feuerläufe mit dem Wunsch, ihren Söhnen etwas Wichtiges zu ermöglichen. Oft ohne es genau zu wissen meinen sie die Initiation zum erwachsenen Mann.

Nicht alle Eltern benutzen den Begriff der Initiation. Was sie für ihren Sohn suchen, umschreiben sie bisweilen so:
Wir wollen, das er (irgendwie) wach wird.
Wir möchten, das er Verantwortung übernimmt.
Wir wünschen uns, das er erwachsener wird.
Wir möchten ihm etwas Wertvolles mitgeben.

Wie gesagt ist die Wirkung eines Initiationsrituales wesentlich von der Vorbereitung auf das eigentliche Initiationsereignis und seiner Nachbereitung und Integration abhängig. Die meisten Eltern sehen Initiation als ein Ereignis, welches lediglich den Sohn betrifft. Doch sollten sie sich klar machen, dass eine Initiation des Sohnes ohne eine geeignete Veränderung im Elternverhältnis unweigerlich in Konflikten endet. Ein frisch initiierter Sohn möchte nicht mehr unbedingt auf den Schoß zurück.

Es empfiehlt sich der Blick in folgende Literatur:
Endlich Mann werden: Die Wiederentdeckung der Initiation
oder
Eisenhans: Ein Buch über Männer

Andere, meines Erachtens empfehlenswerte Literatur habe ich bisher zu dem Thema nicht gefunden.

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