Wahre Geschichten vom Feuerlauf – so passiert

Von Zeit zu Zeit gehört sie ordentlich durchgeschüttelt, unsere Vorstellung von der Welt, von uns selbst, von dem, was wir meinen zu können oder eben nicht können. Dann ist es Zeit für einen Feuerlauf.

Dann passiert manchmal das Unglaubliche, das Wunderbare, das lang Ersehnte, gerade weil (!) wir die Kontrolle abgeben, wenigstens für einen Moment, dem Leben seinen Lauf lassen, „es“ geschehen lassen. Letztlich ist das Leben auch ein Widerfahrnis, etwas, das mit uns geschieht, das wir nicht wie eine Party planen und veranstalten können.

Ein Feuerlauf führt Menschen an diesen Rand, an das Ende aller Kontrolle. Ob wir wollen oder nicht, der Geist des Feuers macht seinen Job. Er heizt unserem kleinen Verstand gehörig ein, um uns zu zeigen, das wir viel größer sind, als wir uns das mit unserem IQ überhaupt zurecht legen können.

Verpeilt wie ein Jungspund
Manchmal bedrängen uns Lebensthemen und Wünsche sehr, so auch die Sehnsucht nach einem Partner oder Partnerin. Bald halten wir es mit uns selbst und unserem inneren Dialog nicht mehr aus. Die ewig gleichen Gedanken rauschen ungebremst durch unseren Grübler, bis es weh tut.

So findet ein stilles Gebet seinen Weg unbemerkt in den Himmel, es möge doch die Hand Gottes oder sonst wer kommen, unsere Hirnwindungen ordentlich durchwirken und diesem grausamen Mantra ein Ende bereiten. Bei einem Feuerlauf kann so etwas tatsächlich passieren, wie das Feedback dieses älteren Teilnehmers zeigt:

„Danke nochmal für das beeindruckende Erlebnis mit Dir, es bleibt unvergesslich. Die Tage danach war ich glückselig und Du wirst es kaum glauben: vor 6 Tagen habe ich meine Prinzessin kennengelernt und bin glücklich und verpeilt wie ein Jungsporn!! Egal wie man alles deuten oder erklären will, es hat alles dazu beigetragen, dass es so gekommen ist.“

Doch, glaube ich!

Der Mann, der stehen blieb
Er habe schon alles gemacht: Rafting, Fallschirmspringen, Bungee-Jumping, Tauchen, Canyoning, Berge erklommen und Wüsten durchquert. Er kenne sich mit Gefahren aus und sich selber gut genug. Nur der Feuerlauf fehle ihm noch. Also kam er, der Mann, der schon alles gemacht hatte, und lernte sich selber neu kennen:

Alles war perfekt. Vor uns lag ein wunderbarer, orange-roter Glutteppich. Die ersten Teilnehmer sind bereits über die Glut gegangen, als Er sich anschickt, den letzten Haken auf seine To-Do-Liste zu setzen. So steht er vor der Glut, nimmt sich die Zeit, die er braucht.

Er schließt die Augen, aber was er sieht, gefällt ihm gar nicht! Seine Zehen scheinen sich in den Boden zu graben, sein Körper gehorcht ihm nicht länger. Bebend steht er vor der Glut, halb wütend, halb sich dem ergebend, was schon lange an stand. Sein Vorhaben, das Feuer zu besiegen, geht sichtlich in Rauch auf.

Er dankt ab und verzichtet auf seinen Feuerlauf. Später, zurück im Seminarraum, wird er berichten, warum: Plötzlich war er es satt, davon zu laufen. Es war an der Zeit, stehen zu bleiben, inne zu halten. Es wäre falsch gewesen, weiter zu gehen, und wenn es über glühende Kohlen wär. Er hatte sich selbst seine Kraft und seinen Willen genug bewiesen. Die lauten Trommeln des Angriffs sollten schweigen, er wolle das leise Lied in sich hören.

Ich liebe meinen Job!

Feuerläufer Feuerläufer – Menschen wie du und ich.

Mut! Oder: Wage zu wissen!
Das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten ist nicht immer einfach. Sind mitunter die äußeren Bedingungen schon widrig, gesellen sich gelegentlich eindringliche Erfahrungen dazu, von denen wir zunächst gar nicht wissen, wie und wo wir sie in unserem Feng Shui unter bringen sollen.

Können wir der eigenen Erfahrung überhaupt trauen? Sie als Fundament für Entscheidungen nehmen? Dem Offensichtlichen, dem Eigenen zu trauen ist nicht trivial, fällt schwer und braucht Mut, denn erzogen wurden wir anders. Man fühlt sich wie das Kamel im Nadelöhr.

So kommen Menschen auf den Feuerlauf, die ihren Mut stärken wollen. Die Erfahrung der eigenen Kraft in direkter Konfrontation mit dem Offensichtlichen hilft, den Mut aufzubringen, der eigenen Erfahrung, besser, dem eigenen erfahrenen Wissen, zu trauen und darauf zu bauen. Mut braucht es dann auch, anerzogene Dogmen und gewohnte Konventionen über Bord zu werfen:

Es ist so weit, wir zünden das Feuer an. Dieses mal haben wir einen großen Berg 33er Holzscheite vor uns liegen, feinste, schwere und harte Buche aus dem Spessart. Die Teilnehmer haben etwas mitgebracht, was ihr Anliegen symbolisiert. Manche haben einen Wunschzettel geschrieben, andere etwas aus Holz geschnitzt. Eine junge Teilnehmerin hat eine Blüte aus Ton getöpfert, Handteller groß, aus weißem Ton. Die Blütenblätter sind sehr fein gearbeitet, an manchen Stellen kaum ein oder zwei Millimeter dick.

„Ich weiß nicht, was ich machen soll, was ich jetzt nach der Schule studieren soll. Ich möchte Mut haben, das zu tun, was ich wirklich will.“ Ein junger Mensch auf dem Weg ins Leben.

Um Ihr Anliegen symbolisch los zu lassen und dem Feuer zu übergeben, suchen sich die Teilnehmer im aufgetürmten Brennholz einen Platz für ihr Mitbringsel. Die filigrane Tonblüte findet ihren Platz zwischen den teils beindicken Holzscheiten.

Das Feuer wir entzündet, bald steht das Holz in Flammen. Schon purzeln die ersten Scheite vom Haufen, werden mit der Schaufel wieder oben auf geworfen. Das geht über zwei Stunden so, der brennende Holzberg ist ständig in Bewegung. Von den Wunschzetteln, Schnitzereien und sonstigen Mitbringseln ist bald nichts mehr zu sehen, so auch von der Blüte nicht. Die Glut wird aufgeharkt, der Glutteppich ausgebreitet. Mit Harke und Schaufel wir die Glut durchwühlt, letzte brennende Holzscheite beiseite geschoben. Schließlich findet der Feuerlauf statt. Die Teilnehmer gehen, teilweise mehrfach, über die Glut. Immer wieder sticht die Schaufel in den Gluthaufen, graben sich die Krallen der Harke in die hell gleißende Holzkohle.

Der Feuerlauf ist vorbei. Alle Teilnehmer sind wohlbehalten auf der anderen Seite angekommen. Nur ein kleines Häufchen Glut ist über. Damit es schnell verglimmt und keine Gefahr mehr darstellt, harke ich es noch schnell auseinander.

Da ziehe ich auf einmal die Blüte aus der Glut!! Unversehrt, fest gebrannt! Sie ist nicht zerplatzt, nichts ist abgebrochen, alle Details sind erhalten! Sie hat alle Hitze, alle Bewegung heil überstanden. Und mitten in der Blüte sehe ich jetzt erst das Wort: MUT!

Wenn das keine Ansage ist.

Der Gang des Einbeinigen
Das Leben hält für uns harte Prüfungen bereit. Dafür braucht es keinen Feuerlauf. Harte Schicksalsschläge, die uns bis tief in unser Innerstes hinein zerbrechen, hinterlassen nicht nur äußere Narben. Einmal mehr aufstehen als hinfallen – die Prosa des positiven Denkens sagt sich schnell und soll doch oft nur dem helfen, der gerade spricht, der Angst vor dem nächsten Sturz hat, als dem, der gerade den Weg ins Leben zurück sucht:

Das eine Bein wurde bei dem Unfall unterhalb des Knies abgetrennt. Am anderen Bein wurde der Fuß zur Hälfte abgetrennt. Eine Hauttransplantation war notwendig, um den Fuß soweit möglich wieder herzustellen. Der junge Mann trägt eine Beinprothese, an deren unteren Ende eine Carbon-Feder das Gehen ermöglicht. Am anderen Fuß trägt er einen Spezialschuh. So kann er ohne weitere Hilfen, ohne Krücken, gehen.

Wir beginnen mit unserem Feuerlauf. Die ersten Teilnehmer fragen nach möglichen Verbrennungen und anderen Risiken, als der junge Mann vorschlägt, den Carbon-Teil seiner Prothese mit Aluminiumfolie vor dem Verbrennen zu schützen. Die Fragestunde ist prompt beendet, keine Fragen mehr.

Schließlich ist es so weit. Der Glutteppich ist ausgebreitet, das Carbon mit Aluminiumfolie umwickelt. Ohne seinen Spezialschuh humpelt er über den unebenen Boden der abschüssigen Weide und tritt seinen Gang an. Es wird still, als er die Augen schließt, sich versenkt, seine Kraft sucht. Aber sie kommt nur langsam. Viel Zweifel und Angst sind da, und dann der bloße, alles durchdringende Wunsch, es auf die andere Seite und damit auf die andere Seite des Lebens zu schaffen. Ein lauter Schrei, der all dies ausdrückt, unbeschreibliche Bilder, wie dieser Mann sich humpelnd auf die andere Seite quält. Jeder Schritt ist eine eigenen Entscheidung.

Dann ist es geschafft! Weiter geht er, noch einen Schritt, noch einen, als wolle er tief eindringen in dieses neue Land, in das Leben auf der anderen Seite. Es schüttelt ihn. Ich kann nur ahnen, was jetzt alles von ihm ab fällt.

Eine gute Gelegenheit, den Mund zu halten.

Ich will zu meiner Frau
Uns Männern wird nachgesagt, gefühlskalt und unnahbar zu sein. Und tatsächlich, ich muss es zugeben, was Unnahbarkeit und emotionale Unerreichbarkeit betrifft, sind wir absolute Spitzenklasse. Nicht, das wir nicht merken, das unsere Partnerin nach Nähe sucht! Da haben wir sehr feine Antennen! Unsere Reaktionen darauf fallen halt mitunter unerträglich tumb aus, was aber auch nicht selten Absicht ist.

Das hat uns den Ruf des ewigen Praktikanten in Sachen Familie und Beziehung eingebracht. Dabei haben es Männer ganz schön in sich! Doch da lassen wir es zum Leidwesen der Partnerinnen und vergessen es dort. Der Preis ist hoch: zuerst stirbt es in uns, dann stirbt es um uns. Haben wir Männer erst den Bezug zu uns selbst verloren, „spüren“ wir uns nicht mehr, spüren wir auch unser gegenüber nicht mehr. Eine empathische, vielleicht liebevolle oder gar lustvolle Beziehung ist uns unmöglich geworden. Wir sind schmerzfreie Automaten geworden, Fremde in unserem eigenen Körper. Bis die Erinnerung an etwas schönes, vergangenes zurück kehrt. In der Regel durch einen massiven Schicksalsschlag, der gnadenlos unseren Panzer zerschmettert und jedes blöde Versteck unseres verkümmerten Egos ausräuchert:

Er ist ein Geschäftsmann, der vermutlich alle finanziellen Ziele erreicht hat. Er ist alleine gekommen. Mit einem kompletten Survival-Kit ausgestattet nimmt er im Seminar Platz. Er packt nicht groß aus, legt die Jacke nicht ab, so als wolle er bei Bedarf schnell flüchten können. Er spricht nicht viel. Die selbstgebackenen Kekse der zwei gut gelaunten, sehr runden Damen in weiten, wallenden Gewändern lehnt er freundlich, aber bestimmt ab.

Das Seminar beginnt, das Drama nimmt seinen Lauf. Sofort seine Frage, ob man wirklich alle Übungen mitmachen muss oder ob es nicht reicht, einfach so dabei zu sein. Sonst hat er keine Frage, er hat ja schließlich alles im Internet recherchiert. Auweia.

„Ja aber selbstverständlich machen wir hier alle alles mit!“ prusten die beiden gutgelaunten Bäckerinnen in den Raum, bevor ich etwas sagen kann. „Wir wollen doch einen schönen Tag haben!“. Damit wäre das ja geklärt.

Die zwei Damen scheinen sich auszukennen mit solchen Strategen. Schon bei der ersten Übung nehmen sie ihn liebevoll in ihre Mitte. Bis zum Abendessen haben sie ihn weich geklopft.

Ein Gespräch unter den TeilnehmrInnen entsteht, warum, wofür und wozu sie im Einzelnen über die Glut gehen wollen, ob und wenn ja welche Absicht sie damit verbinden.

Der Geschäftsmann: „Ich will einfach wieder was spüren!“

Zwar hatte ich mir so etwas gedacht, es dann aber zu hören war für mich in dem Moment doch ein starkes Stück. Ich bin verblüfft, das er sich derart öffnet und sich so raus traut. Das ist mutig. „Respekt!“ denke ich.

Die zwei Mädels sehen das in einem größeren Kontext: „Ja, aber deswegen sind wir doch alle hier! Hihihiii!“ Diesmal haben sie nicht die eigenen Kekse, sondern ihr Wiener Schnitzel im Mund.

Schließlich ist es so weit. Feuerlauf! Die zwei Genusskugeln legen einen aufs Parkett, das es nur so Funken sprüht. „Und gleich noch einmal! Juhuuhh!!“

Ich halte meinen Unternehmer im Blick, seine Ausstrahlung gefällt mir gar nicht. Er ist nur noch eine Hülle. Aber er hat Angst vor dem, was möglicherweise auf ihn zu kommt. Und das sind nicht die paar Kohlen da auf der Erde. Der Gang ist ein Ultimatum für ihn. Wenn er jetzt nichts spüren wird, keine Begeisterung, keine Erleichterung, dann war alles vergebens, wird er für immer im Inneren ein eiskalter, toter Schatten seiner selbst sein und bleiben. Das ist seine Angst.

Dann schickt er sich an. Mit einer Mine, die mich an einen Todgeweihten auf dem Weg zum Schafott erinnert, geht er mit langsamen Schritten vor den Glutteppich. Er hält kurz inne, dann tritt er beiseite. Er ist noch nicht so weit. Während eine der beiden Partyraketen völlig unbeeindruckt an ihm vorbei über die Glut spritzt, geschieht das (für mich) unfassbare:

Die andere Lustbombe tritt auf ihn mit ruhigen Schritten zu, langsam, achtsam. Sie tritt sehr nahe vor ihn und schaut ihm in die Augen:

„Geh.“

Mit hauchzarter, fester Stimme, die weiblicher nicht sein könnte, hat sie ihm den Segen der großen Mutter erteilt!! Es haut mich um!! Zart, ganz sanft, nimmt sie ihn an die Hand, tritt mit ihm vor die Glut und lässt ihn wieder los. Normalerweise passe ich sehr auf, das jeder Teilnehmer selber entscheidet, ob und wann er geht. Niemand soll gedrängt oder überzeugt werden. Aber das hier ist anders, das ist Geburtshilfe. Die Zweite wartet auf der anderen Seite auf ihn. Er schaut mich an, wendet sich aber von mir ab, bevor ich seinen Blick erwidern kann.

Wie ein Roboter, eine Maschine, geht er stumm los. Doch mit jedem Schritt kehrt Leben in ihn zurück! Beginnt ein leiser Ton, der sich bis zum letzten Schritt von der Glut runter in einen lauten Schrei verwandelt!

Er ist schon lange von der Glut runter, da schreit er immer noch, bebend, von sich selbst überwältigt. Er stürzt sich in die Arme der zweiten Mutter, die auf ihn gewartet hat. Sie ist unglaublich groß geworden, als würde sie mit ihm die ganze Welt umarmen. Es scheint, als würde all sein Schmerz, all seine Verbitterung und Einsamkeit von diesem mütterlichen, verzeihenden Ur-Herz aufgenommen und verwandelt.

Es ist so still geworden, wie es gerade sein kann. Leises knistern vom Feuer, etwas Wind, ein leises, letztes Schluchzen. Dann lösen sich die beiden. „Ich will zu meiner Frau!“ kommt es leise aus seinem Mund.

„Dann fahr doch jetzt zu ihr hin!“
„Ich weiß nicht, wo sie wohnt.“
„?? Warum? Was ist los?“
„Sie ist ausgezogen … vor sechs Monaten. Ich weiß nicht, wo sie ist.“

Ja, er hat noch ihre Nummer. Schon ist jemand mit einem Handy da.

„Hallo? Irmgard? Ich bin es …“
„Ja, nein, nein, ich, doch, .. ich möchte zu Dir kommen!“
„Nein, anders, ich kann das nicht sagen, jetzt, kann ich bitte zu Dir kommen? Ja? … Ja?“
„Ja, Danke! Dann bis gleich! Danke! Ja, bis gleich, nein, ja, bis gleich! Danke!“

Das hagere Männlein sagt uns verstohlen Tschüss und geht.

Wir sehen ihn mit seinem Auto davon fahren, als wir noch am Feuer stehen. Da bricht eine der Ober-Mamas das Schweigen: „So einen hatte ich auch mal. Als ich das Gefühl hatte, ich würde eingehen, bin ich auch ausgezogen.“

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