… und dann gehen wir über das Wasser!!

Was könnte uns noch aufhalten? Welche Macht könnte uns daran hindern, nach der Krafterfahrung eines Feuerlaufes das eigene Leben mutig in die Hand zu nehmen und nach eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten? Die Antwort gibt gerade genau die Geschichte von Jesus, der über das Wasser geht: wir selbst werden uns daran hindern!

Auf kaum einem Feuerlauf fehlt dieser Kalauer: Wenn wir über glühende Kohlen gegangen sind, gehen wir als nächstes über das Wasser! Der Gedanke, was sonst noch möglich sein könnte, wenn man schon über glühende Kohlen gegangen ist, drängt sich auf und ist letztlich auch ein wichtiger Wegweiser.

JesusGenezarethDas Jesus über das Wasser geht, wird häufig in der Betrachtung von Matthäus 14/22 in den Mittelpunkt gestellt. Wir wollen an einen starken Helden glauben, an jemanden, der Wunder tut, von dem wir profitieren. Wenn wir nur jeden Sonntag in der Kirche sitzen, werden wir vielleicht auch eines Tages über das Wasser gehen können. Aber so läuft die Geschichte nicht. Wir müssen uns von naiven, religiösen Vorstellungen trennen: Das Jesus über das Wasser geht, ist möglicher Weise gar nicht von Bedeutung!

Der Wind peitscht das Wasser auf, die Jünger im Boot werden hin und her geschaukelt. Es geht rund. Da kommt Jesus auf dem Wasser zu ihnen. Petrus bittet Jesus, er möge ihn rufen, so dass er über das Wasser zu Jesus kommen könne. Jesus tut ihm den Gefallen, Petrus steigt aus dem Boot und geht auf Jesus zu.

Hier erst beginnt für mich die Geschichte: Obwohl er schon einige Schritte über das Wasser gegangen ist, zweifelt Petrus und versinkt in den Fluten. Es braucht also gar keinen Einfluss von Außen, Petrus schafft es ganz allein, mit seinem Vorhaben zu scheitern!

Jesus kann machen, was er will. Er hätte auch fliegen können. Dann wäre Petrus abgestürzt, und das nicht, weil Jesus das so wollte.

Jesus rettet Petrus aus den Fluten, beide steigen ins Boot zu den anderen Jüngern, die alles mit angesehen haben.

Für viele Menschen, die an einem Feuerlauf teil nehmen, geht für einen kurzen Moment ein Fenster auf, durch das sie einen Blick auf etwas erhaschen können, was auch noch Wahrheit in ihnen ist, was auch noch in ihr Leben treten könnte. Mit der Selbstüberwindung, den ersten Schritt auf die Glut zu tun, fallen Selbstbegrenzungen und Glaubenssätze und es entsteht zunächst die Erfahrung, etwas zu können, was außergewöhnlich ist.

Aber werden wir dieser Erfahrung vertrauen? Oder werden wir es Petrus gleich tun, und bereits nach wenigen Metern des schon sichtbaren Erfolges zweifeln (an was eigentlich genau?). Doch dann geht es erst richtig los: saßen wir gerade noch gemeinsam mit anderen in einem Boot, ringen wir jetzt um Luft, kämpfen vielleicht um das Überleben. Unser Mut hat uns weg gelockt von Vertrautem und uns an den Rand gebracht.

An der Stelle würden mich die Gesichter der anderen Jünger interessieren, die im Boot zurück geblieben sind. Jeder von ihnen hätte vermutlich ebenso wie Petrus los gehen können. Sind sie aber nicht. Möglicher Weise wird der eine oder andere von ihnen angesichts des versinkenden Petrus gedacht haben: Das hat er jetzt davon!

Nur wer sich bewegt, spürt seine Fesseln.
(Rosa Luxemburg)

Aber Petrus macht eine weitere Erfahrung: Nachdem er den Mut gehabt hat, auf zu stehen, wird er gerettet, als es für ihn schwierig wird. Er wird von Jesus nicht allein gelassen, er kann sein Vorhaben fortsetzen und kehrt mit Jesus auf dem Wasser zum Boot zurück.

Zwar sitzt Petrus wieder da, wo es seinen Anfang nahm, aber er wird nicht mehr der selbe sein. Es wird Petrus in Fleisch und Blut übergegangen sein: Jesus hatte schon lange dafür gesorgt, das Petrus über das Wasser gehen kann, er selbst konnte es nur verhindern! Petrus „weiß“ jetzt (nicht nur intellektuell): Er ist weniger gefesselt von physikalischen Gesetzen einer lebensfeindlichen Umgebung, sondern von seinem halbherzigen Vertrauen in das, was er schon erfahren und auf eigenen Wunsch getan hat. Er weiß, er kann, wenn er sich selber glaubt (und nicht einem Prediger oder Feuerlauf-Trainer)!

Das unterscheidet ihn von jenen Jüngern, die im Boot sitzen geblieben sind. Sie kommen um den Punkt nicht herum: Petrus ist über Wasser gegangen. Sie nicht.

Wir verdanken jenen, die sich aus dem Boot raus getraut haben, viel Gutes. Autos, Handys, medizinischen Fortschritt, auch Frieden und Hoffnung, es gab immer einen, der los ging, begeistert von etwas Unmöglichem, gescheitert und wieder aufgestanden ist. Ich vermute aber, das die Botschaft nicht unbedingt lautet: Glaube an dich selbst, dann schaffst du, was du willst. Diese Geschichte entstammt keiner Höher-schneller-weiter-Kultur.

kannnichtschwimmen

Möglicher Weise wird anders herum ein Schuh draus: Tue, was Du willst, dann kommt die Erfahrung von etwas Größerem, als Du es bist! Aber das ist der Teil, den wir nicht so gerne hören wollen, weil er das Scheitern, mindestens aber Kontrollverlust mit sich bringt. Vielleicht versuchen deshalb so viele Menschen, Gott mit regelmäßigem Kirchgang zu beeindrucken, sozusagen als Plan B. Oder sie scheren sich nicht darum, was sollen sie auch anfangen mit diesem exterristrischen Störenfried, vielleicht geht er ja von alleine weg. Oder leugnen schlicht die Möglichkeit seiner Existenz.

Wenn wir die Mythologie des Lebens leugnen, kommen wir um seine Pathologie nicht herum.
(Richard Rohr)

Petrus einen Kurs in positiven Denken zu empfehlen, trifft nicht den Punkt. Sein naiver Glaube an Jesus (Synonym für unseren naiven Glauben an positives Denken? Oder an „Religion“? Oder Geld?) wurde erschüttert bis an den Rand seiner Existenz. Er versinkt. An dieser Stelle macht Petrus eine Erfahrung, die über alle Selbstermächtigungs-Strategien wie positives Denken hinaus weist: Es gibt etwas, was größer ist als er selbst. Und dieses Größere zweifelt nicht an uns, wir müssen seine Hilfe nicht verdienen, wir bekommen sie (schon) gewährt.

Nun sind wir an der Reihe.

Ein Gedanke zu „… und dann gehen wir über das Wasser!!

  1. Lieber Rolf, mein Feuerlauf liegt schon etwas zurück (22.06.13) in der nähe von Bonn. War ein intensives Er-leben von mir und meinem tiefen Wesen, hin zum Wissen um unsere immerwährende Anbindung.
    Möchte dir heute erneut danken, für Dein Wirken und Schreiben. Tut mir gut zu lesen und zu erinnern.
    Ja, nun sind wir an der Reihe.
    Auf ein Wiedersehen, bis dahin alles liebe, Dirk.

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